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Hugh Beyer Translations

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Hugh Beyer

Mut zur Lücke?

22 Mai 2020 By Hugh Beyer

Lücken in der eigenen Sprache? Hm, kommt drauf an, was man damit meint. Wenn die Menschen in einer bestimmten Kultur oder Gesellschaft nie von einem bestimmten Sachverhalt reden oder wenn es etwas gibt, was man einfach nicht sagt – zumindest nicht im Vergleich mit einer anderen Kultur – dann kann es durchaus eine „Lücke“ geben. Eine interessante Herausforderung für den Übersetzer!

Während meiner Studententage in Bonn in den 70er-Jahren hatte ich einmal folgende Unterhaltung in der Küche meines Studentenwohnheims: Ich saß da herum und aß gerade mein Abendessen, als ein iranischer Student vorbeikam:

  • Guten Appetit!
  • Dankeschön. Wie sagt man das übrigens im Persischen?
  •  نوش جان (nooshe jan). Und was sagt ihr in England?
  • Tja, wir sagen da gar nichts.
  • Und warum nicht?
  • Naja, da haben wir wohl eine Lücke in unserer Sprache. (Beinahe hätte ich gesagt: „Vielleicht hat das was mit unserer Küche zu tun!“)

Man hört zwar ab und zu „Enjoy your meal“, aber das ist kein Standardausdruck. In den meisten europäischen Sprachen gibt es jedoch Worte die man schon benutzen sollte, wenn man in einen Raum eintritt, wo gerade jemand sitzt und eine Mahlzeit einnimmt:

  • Bon appétit (französisch)
  • Buon appetito (italienisch)
  • Guten Appetit (deutsch)
  • Приятнгого аппетита (Prijatnovo apetita – russisch)
  • Смачного (Smačnoho – ukrainisch)
  • Smacznego (polnisch)
  • Eet smakelijk (niederländisch)
  • Smaklig måltid (schwedisch)

Hat das Englische also eine Lücke? Genau! Aber dieser Lücke entsteht erst dann in meinem Denken, wenn ich mir ihrer bewusst werde: wenn ich als Engländer nicht wüsste, dass man sich anderswo in der Welt verpflichtet fühlt, etwas zu sagen, würde es mir nie einfallen, hier von einer Lücke zu sprechen. Es handelt sich also schlicht und einfach um eine gesellschaftliche Konvention – und da kann es natürlich vorkommen, dass ein Land diese Konvention hat, und das andere eben nicht.

Ein weiteres Beispiel: Wenn ich als Engländer in einen Raum trete, in dem jemand anders schon sitzt, sage ich in der Regel „Hello“. Einfach nur so hineinzugehen und gar nichts zu sagen, kommt mir seltsam vor. So war ich ziemlich erstaunt, als mich ein deutscher Freund mal darauf aufmerksam machte: „Wir haben uns doch schon begrüßt!“

So, und nun schauen wir uns dieses Lückenphänomen von der Übersetzerperspektive.

Für einen Übersetzer, der von perfekter kultureller Äquivalenz zwischen Quell- und Zieltext ausgeht, könnte diese Situation zum Alptraum werden, da es keine klare Lösung gibt. Mit etwas Querdenken ist sie jedoch eine spannende Herausforderung: Stellen wir uns mal vor, die Guten-Appetit-Episode kommt in einem Roman vor, oder einem Werbespot: sollte der Übersetzer diese sprachliche „Lücke“ ignorieren und einfach als „Enjoy your meal“ übersetzen? Oder sollte man vielleicht so argumentieren: Naja, dann klingt es halt etwas seltsam – macht doch nichts: Der Kontext ist ohnehin eine andere Kultur, also wird der Leser das schon irgendwie akzeptieren, dass hier andere soziale Regel herrschen? Lassen wir es doch einfach auf Deutsch stehen – vielleicht mit Fußnote oder einer Erklärung in Klammern. Oder – in einem Werbetext – sollten wir vielleicht die Unterhaltung etwas anders verlaufen lassedn? Dann hätten wir eher eine Transkreation als eine Übersetzung. Je nach Kontext, Textart, Zielgruppe, Vorgaben und Kunde, könnte jeder dieser Wege mehr oder weniger sinnvoll sein.

Ein ähnlich gelagertes Beispiel ergibt sich, wenn sich zwei Menschen einander zufälligerweise auf der Straße begegnen. In meiner Heimatstadt Coventry hört man oft „All right?“ – ähnlich wie in Deutschland, „Na, alles klar?“. Engländer aus anderen Landesteilen sind manchmal etwas verwirrt, und unsere internationalen Studenten sind natürlich noch verwirrter, da sie oft aus Kulturkreisen kommen, wo man die Frage „Wie geht‘s?“ überhaupt gar nicht stellen würde. Zum Beispiel:

  • Polnisch: „Co słychać?“ (wörtlich: „Was gibt es zu hören?“, mit der Bedeutung: „Was gibt‘s Neues in deinem Leben?“) – und eine Standardantwort ist dann oft: „Nic nowego!“ („Nichts Neues!“)
  • Chinesisch: „你吃了吗?“ (Nǐ chī le ma? – „Hast du was gegessen?“).

Der Anfang des Gespräches zwischen zwei Polen oder zwei Chinesen verläuft also ganz anders als zwischen zwei Deutschen oder Engländern – und solche kulturellen Unterschiede sollten uns nicht verwundern: es ist fast schon trivial, anzumerken, dass man sich in anderen Kulturen oft anders verhält.

Ein weiterer Bereich, der eng mit gesellschaftlichen Konventionen in Zusammenhang steht betrifft kulturelle Bezüge: In anderen Kulturen spricht man über andere Dinge, tut andere Dinge, isst was anderes, usw. – und dies hat selbstverständlich einen Einfluss auf den zwischenmenschlichen Umgang, so dass jeweils andere Übersetzungslösungen gefunden werden müssen, je nach Texttyp, Vorgaben, Kunde, usw.

Da kann es auch durchaus vorkommen, dass manche kulturellen Bezüge recht einfach zu übersetzen (oder zu transkreieren) sind, und zwar dann, wenn es in der Zielsprache etwas Ähnliches gibt. In dem Buch The Sacred Diary of Adrian Plass Aged 37¾ spricht der Autor beispielsweise von einem Lunchbüffet in der Kirchengemeinde, in der – wie peinlich! – alle dann Quiche mitbringen. Nun ist Quiche aber recht weit verbreitet in England, und diese Situation ist durchaus irgendwie realistisch. Ein deutscher Leser ohne Englandkenntnisse würde jedoch den Kopf schütteln und sich fragen: Warum gerade Quiche? In der deutschen Version – Tagebuch eines frommen Chaoten – hat der Übersetzer Andreas Ebert die Quiche also sinnvollerweise mit Kartoffelsalat ersetzt. Na klar! Was wäre Deutschland ohne dieses einfach zuzubereitende Nationalgericht? Jedoch stehen die Dinge nicht immer so einfach. Unsere ostasiatischen Freunde – z.B. Chinesen, Malaysier, Indonesier – sagen mir, dass sie ein Problem hätten, ein sinnvolles Äquivalent in ihrer Küche zu finden, da halt die Auswahl zu groß ist. Ein Übersetzer ins Chinesische stünde also vor der interessanten Herausforderung, dass es kein offensichtliches Gericht gibt.

Eine weitere Lücke entsteht oft dann, wenn eine kulturelle Äquivalenz rein oberflächlich ist, da in den beiden Kulturen verschiedene Erwartungshaltungen herrschen. Weihnachten, zum Beispiel: So wünschen sich Deutsche, Österreicher und Schweizer sehr gerne „Besinnliche Weihnachten“, also eine stille Zeit des Ausspannens, Zur-Ruhe-Kommen, vielleicht im Licht einiger schöner Weihnachtskerzen und vielleicht etwas Romantik. Im Englischen würde aber eine direkte Übersetzung – „a contemplative Christmas“ – sehr befremdend klingen, da Weihnachten in der englischsprachigen Welt eben ganz anders gefeiert wird. „A peaceful Christmas“ (friedliche Weihnachten) ginge natürlich – so gerade noch! – ist aber nicht Standard. „Merry Christmas“ ist zwar Standard, betont aber eher unser angelsächsisches karnevalartiges Weihnachtsverständnis und könnte gegebenenfalls den (deutschen) Übersetzungskunden unglücklich machen.

Die nächste Kategorie von Lücken können wir als lexikalische Unterschiede bezeichnen. Es ist selbstverständlich, dass zwei Kulturen (und damit zwei Sprachen) ganz andere Wege der Entwicklung beschreiten, und so erstaunt es auch nicht, dass sich jeweils andere Redensarten und Schlagwörter herausbilden. Es gibt ein bestimmtes Verb, über das ich als deutsch-englischer Übersetzer mindestens einmal pro Woche stolpere: auf etwas setzen – ein Ausdruck, der wohl seinen Ursprung im Roulettspielen hat, wo man seinen Chip auf eine bestimmte Nummer setzt. Über diesen Ursprung ist sich jedoch wohl niemand so recht bewusst, und so ist der Ausdruck halt häufig im Geschäftsdeutsch anzutreffen. Im Englischen ist jedoch bisher niemand auf die Idee gekommen, einen ähnlichen Ausdruck zu bilden. Und der folgende – einfach klingende – Satz hat es also durch aus in sich:

  • Wir setzen auf eine klare Fokussierung unseres Geschäfts.

Wenn man jetzt versuchen würde, die Roulette-Analogie nachzuvollziehen, wäre es natürlich unangebracht:

  • We’re putting our bets on a clear focus of our business.

Denn der Kunde will wohl auf keinen Fall den Eindruck erwecken, dass seine klare Fokussierung ein reines Glücksspiel sei. Mit den folgenden wesentlich besseren Übersetzungen hat man jedoch die ursprüngliche Metapher verloren:

  • We’ve opted for a clear focus of our business.
  • We emphasise a clear focus of our business.
  • We rely on a clear focus of our business.
  • We believe in a clear focus for our business.

Hat das Englische also eine Lücke? Ja, aber halt nur weil es für diese Perspektive der Metapher im Englischen keine Parallele gibt, so dass wir gezwungen sind, sie zu ignorieren.

Zu guter Letzt kann sich eine Lücke auch aus anders gelagerten grammatischen Strukturen ergeben. So zum Beispiel im Bereich der Geschlechtergleichheit. Sowohl in englisch- als auch deutschsprachigen Ländern gibt es einen gewissen Grammatik-Kampf in diesem Bereich, jedoch sind die Probleme jeweils anders gelagert – und somit auch die Lösungen. In unserem anglophonen Bereich liegt die Betonung stark auf den Pronomen (he, she, they), während unsere Substantive ja ohnehin geschlechtsneutral sind: employee kann sowohl ein Mitarbeiter als auch eine Mitarbeiterin sein. Da können wir uns wohl glücklich schätzen, denn unsere deutschsprachigen Freunde haben genau hier ein Problem – und auch noch ein Dilemma, denn die Standardlösung, die sich herausgebildet hat, hat immerhin stolze elf Silben: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.[1] Naja, und so kommt es dann einigen Schreibern – besonders im Bereich Recht – in den Sinn, die elf Silben lieber überall im Text auf vier zu reduzieren. Aber so recht wohl fühlen sie sich dabei nicht und müssen sich dann in einer Fußnote dafür entschuldigen – zum Beispiel:

  • Aus Gründen der Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen die männliche Form gewählt, es ist jedoch immer die weibliche Form mitgemeint.

Das könnte man natürlich sehr schön übersetzen:

  • To make this text more readable, the masculine form has been used when referring to persons; however, the feminine form is always implied.

Aber ist es wirklich sinnvoll, hier im Englischen überhaupt etwas zu sagen? Das Problem ergibt sich ja lediglich im Deutschen, nicht im Englischen, so dass der englische Leser gar nicht weiß, worum es hier geht – und es ist wohl an dieser Stelle wenig sinnvoll, den Leser über die Feinheiten der deutschen Grammatik zu belehren. Andererseits ist natürlich oft der deutsche Kunde zufrieden zu stellen (der in der Regel nicht mit dem „Leser“ identisch ist) und der eventuell darauf besteht, dass es nicht im Ermessen des Übersetzers liegt, einen ganzen Satz einfach auszulassen. Was sollen wir also tun? Mut zur Lücke? Eine kurze Erklärung im Email ist oft sinnvoll. Oder vielleicht übersetzen und dann an die Fußnote des Autors noch eine erklärende Übersetzernotiz anhängen – und damit aus dieser kleinen Mücke dann einen schönen große Elefanten machen? Je nach Kunde ist es gewiss eine Frage der Diplomatie und des Taktes.

Zusammenfassend können wir festhalten, dass es in der Tat Lücken gibt – Fälle, in denen wir als Übersetzer etwas ganz anderes sagen möchten, oder wo eine Erklärung sinnvoll wäre (vielleicht in einer Fußnote oder in Klammern), oder wo es sogar vielleicht besser wäre, gar nichts zu sagen. Es ist also nicht so einfach, und die jeweilige Strategie dürfte vom Kontext, Texttyp, Leser sowie Kunden abhängen.

Entscheidungen dieser Art können natürlich nicht automatisiert werden, und indem wir Lücken aufdecken, sehen wir auch ganz klar die Grenzen von maschinellen Übersetzungen. Ein Computerprogramm basiert halt stets auf der falschen Annahme, es gäbe zwischen Sprache A und Sprache B grundsätzlich mindestens ein Äquivalent. Und natürlich kann künstliche Intelligenz keine kreativen Einzelfallentscheidungen treffen. Künstliche Intelligenz ist immerhin vom Menschen abhängig und man darf ihr wohl nicht böse sein, wenn ihr der Mut zur Lücke fehlt. Oder, lieber Roboter, hast du vielleicht beim Lesen dieses Artikels ein menschliches Gehirn ausgeliehen?


[1] Daneben gibt es natürlich auch die Lösungen: MitarbeiterInnen und Mitarbeiter(innen), aber diese sind etwas kontrovers: einerseits werden sie wohl grammatisch als etwas klobig empfunden, und andererseits als etwas respektlos gegenüber Frauen, welche hier als bloße grammatische Anhängsel behandelt werden.

Kann Google Translate eigentlich etwas Positives hervorbringen?

10 Februar 2020 By Hugh Beyer

Auf keinen Fall! Dies wäre normalerweise meine Reaktion als Übersetzer. Es gibt halt zu viele amüsante und sogar peinliche Beispiele, die dagegen stimmen. Fangen wir also einfach mal mit einem solchen Fall an: Google Translate behauptet, es würde von Sprache A in Sprache B übersetzen. Fürs Englische stimmt das auch, aber bei allen anderen Sprachen scheint es wohl immer übers Englische zu gehen, also A > E > B: So folgt die App beispielsweise recht gehorsam dem Zufallsprinzip wenn es ums Duzen und Siezen geht – und die Erklärung liegt wahrscheinlich darin, dass es über eine Zwischensprache geht, die diese Unterscheidung nicht kennt, eben das Englische.

Hm.

Dann ist es also völlig nutzlos?

Oder hängt es eher davon ab, was man mit Google Translate macht? Wie gesagt, als Übersetzer würde ich diese App vermeiden, und gute Gründe gegen maschinelle Übersetzungen finden Sie auf meiner Webseite in der Rubrik „Häufige Fragen“.

Jedoch bin ich nicht nur Übersetzer, sondern auch passionierter Sprachenlerner und -liebhaber, und so möchte ich hier die Gelegenheit wagen, um einige nützliche Punkte von Google Translate anführen.

Meine beiden Hobbysprachen (die ich nicht professionell anbiete) sind Polnisch und Chinesisch.

Zunächst Polnisch:

Mir wird oft die Frage gestellt: Bringst du denn nie Russisch und Polnisch durcheinander? Um ehrlich zu sein, ja. Aber es gibt durchaus Möglichkeiten, die Interferenz zwischen den beiden Sprachen zu mildern. Und genau hierfür finde ich Google Translate zuweilen recht nützlich – und das obwohl (wie bereits angemerkt), die App übers Englische zu gehen scheint.

Hier ein Beispiel. Google Translate kommt ganz gut mit sehr einfachen Ausdrücken zurecht. Vor kurzem habe ich beispielsweise den polnischen Ausdruck na domiar złego, … („was noch schlimmer ist“), gelernt. Kaum hatte ich jedoch den Ausdruck irgendwie verinnerlicht, da merkte ich, dass ich mich nicht mehr an die entsprechende Redewendung im Russischen erinnern konnte. Eine geistige Blockade! Ohne besonders zuversichtlich zu sein, habe ich dann in Google Translate nachgeschaut, und zu meinem Erstaunen hatte die App sogar die richtige Antwort: Что еще хуже, … Ich hatte eher irgendeinen Blödsinn erwartet (wie halt so oft!), aber da war‘s, – gleich auf Anhieb – und hat mein Gedächtnis freundlicherweise wachgerüttelt.

Ein weiterer Punkt ist Grammatik.  Wenn es um grammatische Endungen geht, kann man Google Translate meist ganz gut vertrauen, und so braucht die App zum Beispiel nicht lange, um von einer flektierten Sprache zur anderen ein ganzes Paradigma auf den Bildschirm zu zaubert (hier: Russisch und Polnisch) – angenehm formatiert, so dass man es dann schön in eine Word-Datei einfügen kann, um sich dort das Paradigma anzuschauen, sich dran zu freuen und ins eigene Gehirn einzubauen. Hier das Beispiel: „schwimmen“: плавать, pływać, schön nebeneinander, so dass man ein Gefühl für den Unterschied im Stammvokal bekommt: a im Russischen und y im Polnischen. Sehr angenehm! Jetzt ist es wohl weniger wahrscheinlich, dass ich bei einer polnische Unterhaltung übers Schwimmen unter russischer Interferenz leide.

Hier ist jedoch Vorsicht angesagt, denn ganz so gut funktioniert es nicht immer. Wenn man zum Beispiel die Pronomina (я, ты, он, …) im russischen Paradigma auslässt, dann produziert Google Translate Blödsinn:

Hm. Nicht so gut!

Nun ein paar Worte zu meiner zweiten Hobbysprache, dem Chinesischen: Der Bereich, in dem ich Google Translate sehr nützlich finde, ist Aussprache und Phonetik, da die App nicht nur eine Übersetzung liefert, sondern auch Pinyin.

Pinyin ist ein System der Aufzeichnung des Chinesischen in lateinischer Schrift, und zwar mit Hilfe von vier Akzentzeichen, die jeweils die vier Töne des Chinesischen wiedergeben. Diese Töne sind äußerst wichtig, da sie bedeutungsunterscheidend sind. Als Lernender kommt man nicht um sie herum. Wenn man sich im Ton vergreift, sagt man oft etwas ganz Anderes, als was man gerne sagen möchte! 好 (hăo, Ton steigend und dann fallend) bedeutet beispielsweise „gut“, und 号 (hào, Ton fallend) bedeutet „Zahl“.

Als Lernender muss man daher Vokabeln stets in drei Blöcken lernen, nicht nur in zwei (wie bei einer Sprache mit Alphabet): Chinesisch, Pinyin und die eigene Sprache. Obwohl Google Translate oft fehlerhafte Übersetzungen liefert, so ist es in seiner Pinyin-Transkription meist zuverlässig, denn es kann ja in der Regel einem Eins-zu-eins-Algorithmus folgen, was für ein Computerprogramm ziemlich idiotensicher ist. Hier ein Beispiel:

„Cèsuǒ huì zài nǐ de zuǒbiān“ kann man nun einfach kopieren und in eine Vokabelliste einfügen – oder in ein Karteikarten-Programm wie z.B. Anki. Das Wichtige ist halt, dass die Tonzeichen fast immer stimmen. Und es ist natürlich weit weniger zeitraubend, als die Tonzeichen per Hand einzufügen.

Eine weitere interessante Funktion verbirgt sich hinter dem Lautsprechersymbol. Ein Klick, und eine freundliche chinesische Google-Roboterin liest den Satz in einer nahezu perfekt synthetisierten muttersprachlichen Stimme vor – natürlich mit den richtigen Tönen. Selbstverständlich wäre eine richtige menschliche Stimme noch schöner – aber es hilft auf jeden Fall. Und die Roboterin hört sich wirklich sehr gebildet an. Das Gleiche gilt natürlich für ihre Kolleg(inn)en in anderen Sprachen.

Der nächste Punkt dürfte für jeden beliebigen Sprachlernenden nützlich sein. Obwohl sich das Beispiel aufs Chinesische bezieht, kann man es auch beim Lernen anderer Sprachen anwenden.

Google Translate kann man gut dafür verwenden, seine eigene Aussprache zu testen. Man muss einfach nur auf das Mikrofonsymbol klicken und einen Satz in der Fremdsprache aussprechen. Wenn die Stimmerkennung korrekt ist, herzlichen Glückwunsch! Wenn nicht, dann muss man noch ein bisschen üben – bis es klappt.

Hier ein Beispiel, wie Google Translate mit einem Aussprachefehler umgeht:

厕所回在你的左边. Cèsuǒ huí zài nǐ de zuǒbiān.

Ich hatte eindeutig ein Wort mit dem falschen Ton ausgesprochen: huí(2. Ton) statt huì (4. Ton), und das zeigte sich dann sofort: Korrekt hätte es heißen sollen: 厕所会在你的左边。

So wusste ich also, dass ich diesen Satz erneut üben musste, und zwar solange, bis Google Translate das richtige Wort 会lieferte (siehe oben).

Dies kann natürlich auf jede beliebige Sprache angewandt werden. Wenn keine Muttersprachler zur Hand sind, ist Google Translate ein gutes Werkzeug, um seine Aussprache in einer Fremdsprache zu testen und verbessern.

Aber ist denn Google Translate nicht fürs Übersetzen konzipiert? Hat es irgendeinen Nutzen – vielleicht wenigstens außerhalb einer professionellen Sphäre? Das Programm ist in der Tat recht nützlich, ab und zu mal ein Wort oder einen Ausdruck in einer informellen Situation nachzuschlagen, wenn nicht alle perfekt Englisch (oder Deutsch) sprechen. Meine Frau und ich leiten beispielsweise einen internationale Bibelabend, wo einige chinesische Studenten zu uns kommen, die manchmal das Englische recht schwer finden. Da kann es schon hilfreich sein, ab und zu mal Google Translate auf dem iPad zu befragen. Manchmal liefert das Programm ziemlichen Unsinn, aber das merkt man dann an den fragenden Gesichtern, lacht zusammen und wir versuchen es nochmal, mit einem Synonym. Ganz wichtig: es empfiehlt sich, Google Translate eher als Online-Wörterbuch zu behandeln, das Vorschläge unterbreitet, und nicht als Übersetzungsprogramm.

Hier ein Beispiel, das im Kontext von Bibelarbeit durchaus brauchbar ist, besonders da auch einige Alternativen vorgeschlagen werden:

Schlussendlich ein kleines unterhaltsames Element:

Google Translate ist hervorragend, wenn es um Ortsnamen geht: Hier einige Beispiele von Ortsnamen, die Google Translate ins Chinesische übersetzt hat – jedoch durcheinandergewürfelt. Können Sie die Orte raten? Jedoch Vorsicht! Eine der Ortsnamen ist KEINE phonetische Übersetzung, und ein weiterer ist nur teilweise phonetisch. Die Auflösung steht unter der Tabelle. Um den Klang der übersetzten Namen wirklich zu genießen, braucht man sie nur in Google Translate eingeben und dann auf das Lautsprechersymbol drücken.

Częstochowa (Polen) 克拉科夫 Kèlā kē fū
Henley on Thames (England) 第聂伯罗彼得罗夫斯克 Dì nièbóluó bǐdé luō fū sīkè
Krakau (Polen) 慕尼黑 Mìníhēi
Leverkusen 考文垂 Kǎo wén chuí
München 泰晤士河畔亨 Tàiwùshì hépàn hēnglì
Днепропетровск (Dnepropetrovsk, Ukraine) 勒沃库森 Lēi wò kù sēn
Coventry (England) 琴斯托霍瓦 Qín sī tuō huò wǎ

Lösung: 1g, 2e, 3a, 4f, 5c, 6b, 7d

Zusammenfassend: Google Translate ist zwar kein professionelles Werkzeug, kann aber gut für informelle Zwecke eingesetzt werden (insbesondere Sprachenlernen), informelle Gruppenarbeit und Unterhaltung. In diesen Gebieten ist das Programm hervorragend geeignet – vorausgesetzt, man traut den Übersetzungen nicht all zu sehr.

Mich würde mal interessieren, ob es eventuell noch weitere kreative Nutzungsmöglichkeiten gibt.

Ein paar Gedanken zu Sprache und Wahrnehmung …

11 Dezember 2019 By Hugh Beyer

Hier sind zwei Bilder. Ein englischer oder deutscher Muttersprachler würde wohl sagen: „Ich sehe in dem einen Foto Hände und Arme, und im anderen sehe ich Füße und Beine.“ Ein russischer Muttersprachler hingegen würde jeweils nur an ein Wort denken: руки (ruki) im ersten Foto, und ноги (nogi) im zweiten. Im Russischen wird halt der menschliche Körper etwas anders aufgeteilt – ebenfalls logisch, aber eben anders: рука (ruka) reicht vom Arm bis zur Hand, und нога (noga) reicht vom Bein bis zum Fuß. 

Hier ein weiteres Beispiel: im deutschen Sprachraum spricht man von zwei Arten von Schrauben, die eine mit einer Mutter, und die andere halt ohne. Im Englischen jedoch würde man die erste Schraube als bolt bezeichnen, und die zweite als screw und entsprechend als zwei völlig verschiedene Gegenstände wahrnehmen.

Unser drittes Beispiel: Gurken. Im Deutschen können das sowohl Schlangengurken als auch die kleineren, kürzeren Gurken sein, die in der Regel eingemacht sind. Alles Gurken! Im Englischen hingegen gibt es zwei verschiedene Wörter: cucumbers für Schlangengurken und gherkins für die die kleinere Sorte.

Diese Art von Problem tritt bei meiner Übersetzungsarbeit recht häufig auf, und so muss ich halt manchmal den Kunden zurückfragen, was denn genau gemeint ist, da meine Zielsprache – Englisch – mich eventuell zwingt, etwas genauer zu sein. Andererseits, ist auch oft das Gegenteil der Fall, und ich habe es mit einem Unterschied in der Quellsprache zu tun, den wir aber in der Zielsprache in der Regel nicht nachvollziehen würden. Beispielsweise hat das Russische zwei Wörter für blau: синий (sinij) und голубой (goluboj).

Ersteres ist hellblau und zweiteres eher dunkelblau. Während die beiden Farbtöne in den meisten Sprachen einfach nur als blau empfunden werden, würde ein russischer Muttersprachler die beiden Töne als verschiedene – wenn auch ähnliche – Farben wahrnehmen.

Aus russischer Sicht mag es sogar etwas befremdend anmuten, dass andere Sprachen diese offenbar deutliche Unterscheidung nicht machen: “Почему во многих языках нет различия между „синим“ и „голубым“? (Warum gibt es in vielen Sprachen keinen Unterschied zwischen sinij und goluboj?): https://thequestion.ru/questions/12537/pochemu-vo-mnogikh-yazykakh-net-razlichiya-mezhdu-sinim-i-golubym

Unsere chinesischen Freunde unterscheiden deutlich zwischen einem jüngeren Bruder 弟弟(dìdì) und einem älteren Bruder哥哥 (gēgē), einer jüngeren Schwester 妹妹(mèimei) und einer älteren Schwester姐姐 (jiějiě), Großeltern mütterlicherseits 外公, 外婆,(wàigōng, wàipó) und Großeltern väterlicherseits爷爷, 奶奶 (nǎinai, yéyé). Hier müsste also ein chinesischer Kollege seine indoeuropäischen Kunden jedes Mal um Präzisierung bitten.

In der Sprachwissenschaft spricht man hier oft von semantischen Feldern: verschiedene Sprachen teilen eine gegebene Realität (z.B. Farben, Verwandschaftsbeziehungen) jeweils anders auf. Man kann es sich als eine Landschaft vorstellen, in der die Grenzen verschiedentlich gezogen werden (in unserem Beispiel: innerhalb des Farbspektrum bzw. innerhalb der Verwandtschaft). Und wenn wir dann zwei oder mehr Sprachen miteinander vergleichen, so sehen wir ab und zu Überschneidungen und gegebenenfalls auch das Fehlen von Grenzen oder die Existenz ganz anderer Grenzen. Als Übersetzer stehe ich manchmal vor der Aufgabe, meine englische Wortwahl gegenüber deutschen Kunden zu rechtfertigen, da Kunden bisweilen eine Eins-zu-Eins-Entsprechung zwischen den Grenzlinien der beiden Sprachen annehmen.

Wir lesen ab und zu, dass die Kenntnis von mehreren Sprachen dabei hilft, Alzheimer-Krankheit oder Demenz zu verhindern. Auf jeden Fall zwingen sie uns dazu, etwas weiträumiger und weniger schablonenmäßig zu denken, eben die Dinge von verschiedenen Perspektiven zu betrachten – und das ist auf jeden Fall eine gute Lebenshaltung, die es sich lohnt, zu kultivieren: der Standpunkt des Anderen ist wahrscheinlich deshalb ein anderer, weil er – wörtlich – die Dinge anders sieht. Sobald für eine Sache „ein Wort existiert“, wird das Wort in unserem Denken eine festgefügte Kategorie, mit Hilfe derer wir dann die Welt um uns herum klassifizieren und unsere Gedanken zurechtlegen.

Dies gilt natürlich auch für abstrakte Begriffe. Sprachblogs im Internet sind voll von angeblich unübersetzbaren Wörtern, und es lohnt sich, ein bisschen herumzugoogeln. Die englischsprachige Welt staunt beispielsweise immer wieder über das deutsche Wort Schadenfreude, das oft unübersetzt übernommen wird, da man es im Englischen höchsten beschreiben kann, aber es gibt halt kein einziges, einfaches Wort. Ein anderes Beispiel ist das niederländische Adjektiv gezellig, das von den deutschen Wörtern gesellig und gemütlich nicht so ganz abgedeckt wird: es bezeichnet ein angenehmes Gefühl in der Gemeinschaft mit Freunden. Ein Niederländer, der beispielsweise sich zu einer Gruppe von Freunden in einem Café gesellt, sagt vielleicht: “Hier is het zo gezellig!” Da ich in der Regel nur ins Englische, nicht ins Deutsche übersetze, fällt mir hier keine gute deutsche Übersetzung ein, und – wie gesagt – die Wörter gemütlich und gesellig decken es eventuell nicht so recht ab. Im Englischen: “You’re obviously having a good time together!” ?

Manchmal klappt eine wörtliche Übersetzung recht gut in eine Richtung, aber nicht so sehr in eine andere. Zum Beispiel, das deutsche Wort Landeskunde hat sein Äquivalent im Russischen mit страноведение (stranovedenie), aber der englische Ausdruck cultural studies trifft es irgendwie nicht so ganz, obwohl er ihm schon recht nahekommt. Besser wäre: everything we know about a particular country – „alles, was wir über ein bestimmtes Land wissen“, was jedoch ziemlich langatmig klingt. Wikipedia drückt es sehr deutlich aus: „Die Landeskunde ist eine typisch deutschsprachige Forschungstradition, die sich mit der Erforschung eines Landes, einer Region oder eines Ortes in historischer, wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Hinsicht befasst.“ https://de.wikipedia.org/wiki/Landeskunde

Hier sieht man schon, dass es mit Sprachen nie langweilig wird. ?

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